Dienstag, 31. Mai 2016

Brücke mit Knick

Ziemlich geknickt sind zur Zeit die Fußgänger und die (illegalen) Radfahrer, die den Cannstatter Holzsteg nutzen, ziemlich geknickt, weil er bald abgerissen wird. 
Der Holzsteg selbst war schon immer geknickt. Er gehört zu der seltenen Spezies der Brücken mit Knick.




Google Maps
In der Draufsicht ist der Knick genau zu sehen. Der Knick Winkel beträgt etwa 15°.







Google Maps mit Ergänzungen



Der Holzsteg liegt im Bereich der ersten Rosenstein-Eisenbahnbrücke (rote Linie) aus dem Jahre 1846. Sie wurde 1916 abgerissen, nachdem die heutige Eisenbahnbrücke in Betrieb genommen wurde. Der Holzsteg muss nun der neuen Eisenbahnbrücke weichen.




Die alte Eisenbahnlinie führte zentral unter dem Schloß Rosenstein hindurch. Der Holzsteg hat ebenfalls eine Orientierung auf das Schloss (siehe rechts). Die Verlängerung der Firstlinie des Brückenfelds am Sailerwasen führt genau auf die Schlossmitte, siehe blaue Linie (siehe oben). 
Das Wilhelma-Brückenfeld führt




Rechts in der Mitte des Bilds kann man den alten Rosensteintunnel erahnen.









Warum der Knick?

Die Mole


Der Holzsteg ist Teil der Verbindung des Cannstatter Bahnhofs mit der Gartenschau im Rosenstein- und Schloßpark Im Jahre 1977.
 

Die Fußgänger kamen vom Bahnhof durch die Eisenbahnstraße, überquerten über einen monumentalen Beton-Steg (der bleibt) die Schönestraße und gelangten in den Sailerwasen. 
Auf der Rosensteinseite führte ein anderer Beton-Steg, der Elefanten-Steg (schon abgerissen) über B14 und Stadtbahnlinie. Zwischen den beiden Neckarufern blieben dann noch etwa 150 m zu überbrücken.
Mit einer Holzbrücke ließ sich das nicht ohne Zwischenstütze schaffen
 
Als Standpunkt für den Zwischenpfeiler bot sich die Mole an. Um den Abstand zum Elefantensteg klein zu halten, war der Knick unvermeidbar.
So kam es zu zwei Brückenteilen,
72 m bzw. 65 m lang.
Briefmarke mit BUGA-Logo 1977

Tunnelcharakter

Der Architekt des Holzstegs, Dieter Senger, gibt eine zusätzliche Begründung für den Knick. Der Knick nehme der Brücke den Tunnelcharakter und löse damit weniger Unsicherheitsgefühle und Angst aus.Entworfen wurde der Holzstegs vom Stuttgarter Architekt Dieter Sengler zusammen mit Julius Natterer, dem unbestrittenen König des Holzbaus. Natterer hat ein Architekturbüro in München und ist Professor an der ETH Lusanne. Er hat mehrere Tausend Holzbrücken entworfen, mittlerweile ist emeritiert.

Margareten-Brücke

Google Maps
Brücken mit Knick sind selten, aber es gibt sie auch außerhalb von Cannstatt. Die prominenteste steht in Budapest, die Margareten-Brücke. Sie verbindet die Stadtteile Buda und Pest mit einem Knick über die Margarten-Insel.
Der Knickwinkel beträgt etwa 30°. Die Brücke wirkt daher etwas weniger unharmonisch als der Cannstatter Steg.
Sie sieht aus wie ein Y, dem ein Strich fehlt.  



Quellen: 
Briefmarke mit BUGA-Logo 1977: 
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:DBP_1977_927_Bundesgartenschau.jpg

Cannstatter Holzbrücke muss fallen. Die Enttäuschung des Holzsteg-Erfinders. Stuttgarter Nachrichten 8.9.1914 (http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.cannstatter-holzbruecke-muss-fallen-die-enttaeuschung-des-holzsteg-erfinders.638f09fb-f677-4c74-9886-1d444150a158.html  30.5.2016)

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